WG55 – Briefentwurf an Alma Mahler
Neubabelsberg, Samstag, 27. August 1910
Es giebt so viele Leute, aber
so wenig Menschen.
Wenn doch nicht Jahre
vergehen müßten bis un-
sere Hoffnung gekrönt
wird, daß wir beide
Du bist mir jetzt das
Schönste.
Das Schönste wünscht man - -
-- --
Welch ein Erguß! zu einem
Wesen würden wir zusammenfließen
Die Ahnung davon ist ein ungeheures
Gefühl in mir.
Wenn Du nicht so edel wärst u
mich selbst so liebtest, was würde
nur mir, Du hast selbst gemerkt,
daß ich Dir ausgeliefert bin.
Ich fühle mich als Dein Mann
als Dir zugehörig. Fürchte nicht
ein Kühlerwerden, sei nicht
ängstlich, wenn einmal ein
Brief flüchtiger und weniger
weich u zärtlich ist, die Tages-
läufe sind so verschieden und
mit ihnen die Stimmungen
innerlich bleibe ich Dir immer
derselbe und will es nie
anders haben. Alle anderen
Lebensinteressen treten
hinter Dir \der/ Sehnsucht nach
Dir u unserem Kinde zurück -
bleib mir, täglich werde
ich \Dich/ darum anflehen, damit
Du es nie vergißt
?
Ich werde unter allen Umständen
auf Dich warten, solange Du mich willst
und brauchst
Schläfst Du manchmal, wie ich mit
offenen Armen?
Ich werde Dich stets lieben. Allen
Sprichwörtern zum Trotz werde
ich die Eigenschaften eines stetigen
treuen Liebhabers beweisen \solange Du es willst/. ich
fühle dazu in mir die sichere
Kraft. Dein Glück Der sagst
Du hängt von meiner Beständig-
keit ab, ich darf Dir nicht ver-
loren gehen. Wir wollen uns
gegenseitig die Leiden tragen
und lindern helfen, mit denen
der Himmel uns schlägt.
Fürchte nichts ich bleibe Dir. Selbst
die Vernunft rechtfertigt meine
Leidenschaft, und in Dir selbst
und in Deinen kostbaren Eigen-
schaften liegt \ist/ der Quell meines
Gefühls.
Es gehört ein ganzer voller
Mensch dazu um in einem so
schweren Chaos die rechten Wege
zu finden. Eben Dir glaube ich
daß Du niemals weder [!]
noch mich verletzen wirst.
Meine Liebe vermute so groß
Du willst, Du wirst sie immer unter-
schätzen.
Ich würde vor Freude sterben
wenn ein freundlicher Zauber Dich
plötzlich neben mich stellen würde.
Birckle & Thomer
Charlotten
1556
Maler
Apparat
Überlieferung
, , , .
Quellenbeschreibung
2 Bl. (3 b. S.) – Papierbogen.
Druck
Erstveröffentlichung.
Korrespondenzstellen
Antwort auf AM25 vom 24. August 1910 (ich habe in den letzten Briefen ein Kühlerwerden zu spüren geglaubt): Fürchte nicht ein Kühlerwerden.
Datierung
Dieser Briefentwurf ist als direkte Reaktion auf AM25 zu verstehen, der zwar am 24. August 1910 geschrieben wurde, jedoch etwas verspätet erst am 27. August bei WG ankam, da AM25 sehr spät abends am 24. August geschrieben, folglich erst am nächsten „A“[bend] des darauffolgenden Tages abgestempelt wurde und schließlich erst am übernächsten Tag, den 27. August bei WG ankam. Da WG längere Zeit keine Nachricht erhielt, ist anzunehmen, dass er sofort nach Erhalt von AM25 am 27. August 1910 diesen Entwurf verfasste.
Übertragung/Mitarbeit
(Bettina Schuster)
Deutsches Requiem? – für Soli, Chor und Orchester (Orgel ad libitum), op. 45 von .
Birckle & Thomer – Hierbei handelt es sich um den Malereibetrieb Birkle + Thomer in Berlin-Charlottenburg, also um eine Arbeitsnotiz . Die darauffolgenden Ziffern stellen eine Telefonnummer dar.